Ein Erfahrungsbericht, der verdeutlicht, wie wir unsere „schlechten“ Gefühle nur durch Akzeptanz und Hingabe transformieren können.
Ich bin zur Zeit in Rishikesh (Indien) und absolviere das Yoga Teachers' Training. Als ich dieses Training begann, wusste ich nicht so genau, was mich erwartet. Ich bin überrascht über die Intensität. Gestern hatte ich ein sehr eindrückliches Erlebnis in Bezug auf Gefühle annehmen, was ich hier nun teilen möchte.
Ich hatte seit einer Woche einen starken Trigger. Jemand aus der Gruppe hat mich in meinen Kindheitsthemen getriggert. Ich sah mich auf einmal mit ziemlich heftigen Gefühlen konfrontiert. Das tägliche Yoga und Meditieren erzeugt eine starke Energie und bringt diese Dinge an die Oberfläche.
Ich habe eine Woche mit diesen Gefühlen gekämpft und gestern war nun endlich der Durchbruch von diesem Trigger! :) Doch vor dem ersehnten Durchbruch hat sich der Trigger und meine damit verbundenen Gefühle sich bis an die Spitze hochgeschaukelt.
Ich bin schon die ganze Woche rastlos aufgestanden, weil mein Unterbewusstsein permanent gearbeitet hat, auch im Schlaf. Gestern bin ich aufgestanden und hatte das Gefühl, gar keine Energie mehr zu habe. Ich war permanent kurz vor Tränen, jede Bewegung war anstrengend.
Das dunkle Gefühl, das ich schon die ganze Woche in mir trug und mehr oder weniger bewusst probiert habe zu verdrängen, hat sich im Verlauf des Tages immer mehr in mir ausgebreitet. Ich hatte keine Energie mehr es zu verdrängen. Am Nachmittag war ich am Ende. Ich bin zu Krishna (mein Yogalehrer) und habe ihm erzählt, wie es mir geht, dass ich gerade ziemlich heftigen „Scheiss“ durchlebe und dass meine Energie ausgesaugt ist. Ich konnte mich kaum mehr auf den Beinen halten. Ich bat ihm um Rat, was ich in dieser Situation nun tun soll. Er meinte: „Geh tiefer“. Ich fragte ihn, ob das sein Ernst sei! Ich könne nicht mehr, ich sei am Limit.
Er lächelte nur und sagte: „Geh tiefer. Um höher aufzusteigen, müssen wir zuerst durch die Tiefen.“ Ich solle da reingehen. Wenn nicht hier, wann und wo denn sonst? Aus diesem Grund sei ich hier.
Also bin ich in mein Zimmer gegangen und habe mich hingelegt. Dieses tiefe dunkle Gefühl breitete sich mehr in mir aus. Dieses Gefühl war jenseits von Trauer, Wut oder Verzweiflung. Es war tiefer, die Wurzel allen Übels. So fühlte es sich an. Ich habe wohl selten zuvor, wenn überhaupt, so etwas gefühlt. Die Trauer und die Wut, verbunden mit diesem Thema, habe ich in den vergangenen drei Jahren durchlebt, gefühlt und in die Heilung gebracht. Das was sich jetzt zeigte, war, so denke ich zumindest, das ganz tiefe Verborgene, was sich unter der Trauer und Wut versteckte. Das war ganz tief in mir vergraben, über fast 30 Jahren verborgen, und ist nun an die Oberfläche gelangt. Es war so schwer, es hat meinen ganzen Körper runter gedrückt. Es war so eine unbeschreibliche Schwere, ein tiefes Loch.
Und in dem Moment war ich bereit, nach einer Woche Widerstand und Kampf dagegen, nachdem meine Kräfte aufgebraucht waren, mich diesem Gefühl hinzugeben. Ich lag da im Bett und liess es einfach zu. Ich sagte sogar zu mir innerlich: „OK noch mehr, noch tiefer“. Während ich das fühlte, ging meine Kindheit mit dem ganzen Schmerz vor meinem inneren Auge an mir vorbei. Ich glaube, diese Bilder kamen, um mir den Ursprung dieses Gefühls zu zeigen.
Als ich da lag in diesem Loch, unfähig mich zu bewegen, veränderte sich auf ein Mal die Energie in mir. Die Energie hatte eine andere Qualität, eine starke kraftvolle Qualität. Die Energie begann stärker zu werden. Sie baute sich in der unteren Bauchgegend auf und schien nach oben zu steigen. Ich nahm im Verlauf von diesem Prozess auch deutlich eine Blockade im Solarplexusbereich wahr, die verhinderte, dass die Energie weiter nach oben steigen konnte, bzw. ein grosser Teil der Energie wurde zurückbehalten, in der unteren Körper- und Bauchhälfte.
Ich spürte, wie hinter meinem Körper an der Wirbelsäule die Energie herumzuwirbeln begann. Ich lag nur da. Zwischendurch legte ich meine Hände auf meine unteren Chakren: sie haben alle pulsiert. Auf meinem Kronenchakra fühlte ich ein Kribbeln, und ich hatte das Gefühl, dass die Energie jeden Moment zum Kronenchakra hochschiessen wird.
Ich lag weitere zwei Stunden im Bett und liess diesen Transformationsprozess zu. Mir war instinktiv klar, dass es sich um eine tiefe Transformation handelt. Die dunkle Energie hat sich in helle kraftvolle Energie transformiert.
Irgendwann hat die Intensität der Energie nachgelassen. Ich fühlte mich wieder vital und kraftvoll. Keine Spur mehr von diesen dunklen Gefühlen und Energien. Wie sich später herausstellte, war auch der Trigger, der diese Gefühle in mir ausgelöst hat, neutralisiert. Die Situation im Aussen war noch vorhanden, aber ich ging nicht mehr mit ihr in Resonanz.
Das Gute daran, wenn man so etwas durchlebt hat, ist das Wissen, dass man am Tiefpunkt angelangt ist und es überlebt hat. Egal was jetzt kommt, es kann nicht schlimmer sein als das. Ich kann mir zumindest nicht vorstellen, dass es noch dunkler geht als in dieser Stunde.
Diese Erfahrung hat mir sehr eindrücklich gezeigt, dass es in Wahrheit der Widerstand ist, der das Leiden verursacht. Wäre ich zu Beginn der Woche bereit gewesen, so in die Tiefe des Gefühls hineinzugehen, hätte es sich da schon aufgelöst. Aber ich habe eine ganze Woche im Widerstand verbracht. Ich bin wahnsinnig geworden, weil ich den Trigger und meine Projektionen erkannt habe, mein Gefühl dazu aber nicht ändern konnte. Ich wollte das Gefühl nicht haben und habe mir gedacht: „Jetzt habe ich schon so oft an diesem Thema gearbeitet und der Trigger ist immer noch da und löst dieses Muster und die Gefühle aus. Was soll ich denn noch machen?“
Die Antwort kam mir am Ende der Woche: mich dem Gefühl hingeben. Erst durch wahre Hingabe und Akzeptanz kann das Gefühl transformiert werden. Leider müssen wir oftmals an den Tiefpunkt gelangen, bis wir bereit sind hinzuschauen und hineinzugehen. Dieser Tiefpunkt ist für viele Menschen Krankheit.
Für mich war es die völlige Erschöpfung, die mich zur Hingabe gezwungen hat. Die anschliessende Transformation war aber überwältigend.
Ich denke, diese Erfahrung wird es mir in Zukunft ermöglichen, mich besser den Gefühlen und „dem was ist“ hinzugeben.